Wir leben in einem Zeitalter der Riesenteleskope und aufwendiger Forschung sowie damit verbundenen großartigen astronomischen Entdeckungen. Aber auch im Kleinen kann mit bescheidenerem Aufwand Neues und Unbekanntes entdeckt werden.
So trifft es sich (die genauen Auswertungen laufen noch), dass es Björn Kattentidt, einem Amateurastronomen aus Neutraubling und mir im Rahmen der Beobachtung der Bedeckung eines Sterns durch einen Asteroiden vielleicht gelungen ist, einen bisher unbekannten Begleiter eines seit langem bekannten visuellen Doppelsterns zu identifizieren. Das kommt übrigens häufiger vor als man denkt. 2024 waren das 44 Entdeckungen und in 2025 liegt die Zahl jetzt schon über 20.

Wie ist es dazu dazu gekommen?

- Am 19. April 2025 gegen 22:30 Uhr stehe ich am Rand einer Wiese auf der Anhöhe zwischen Raigering und Lintach bei Amberg. Ein auf- und abflauender, aber beständiger Ostwind treibt mich immer wieder zum „Aufwärmen“ ins Auto. Den Ort habe ich bewusst ausgewählt, da nach der Vorhersage die Zentrallinie einer Bedeckung hier nur ca. 600 m entfernt verlaufen soll, der Rundumblick gut und die Erreichbarkeit mit dem Auto und damit der Transport der Ausrüstung gegeben ist.
Noch rund eine Stunde bis zur Bedeckung. Mein C8 Teleskop ist für die Beobachtung der Bedeckung des Sterns mit der UCAC4-Katalognummer 587-042193 im Sternbild Krebs durch den Asteroiden (4561) Lemeshev aufgebaut.
Das Auffinden des Sterns und die Schärfeeinstellung haben gut funktioniert. Die Technik hat mich dieses Mal nicht im Stich gelassen und so bin ich früher als erwartet einsatzbereit.
Daten zum Asteroiden, Stern und Bedeckungsereignis laut Vorhersage:
(4561) Lemeshev ist ein Asteroid des Hauptgürtels mit 10,1 ± 1 km Durchmesser und Helligkeit zum Zeitpunkt der Beobachtung 18,4 mag .
Visuelle Helligkeit des Sterns 11,37 mag. Komponente des im Washington Double Star Catalog verzeichneten Systems 08172+2723.
Vorhergesagter Helligkeitsabfall rund 7 mag, Bedeckungsdauer maximal (auf der Zentrallinie) 0,5 Sekunden.


Bild 1: Prognostizierte Bedeckungslinie auf der Erde mit Sternkarte
Quelle: https://www.occultwatcher.net/occ/ OccultMap.ashx? id=1569-4561-117517-649715-U042193

Aus den Ankündigungen zur Bedeckung weiß ich auch, dass zur selben Zeit Björn Kattentidt von einer stationären Beobachtungsstation bei Neutraubling die selbe Bedeckung beobachtet. Seine Entfernung von der Zentrallinie ist nach Vorhersage 4,8 km und damit am Rand des Schattenbereichs (Bild2).
Sternbedeckung Lemeshev 01
Bild 2
Prognostizierter Bedeckungs-korridor im Bereich Amberg - Regensburg: Zentrallinie grün, Schattengrenze blau, 1-sigma Unsicherheitsbereich rot und Beobachtungsstationen blaue Kreise
Grundlagen für Karte: OpenStreetMap, © OpenStreetMap contributors; www.openstreetmap.org/copyright
Grundlagen für Bedeckungskorrodor: https://cloud. occultwatcher.net/event/ 1569-4561-117517-649715-U042193/ Horizons;GaiaDR3;2297519

- eine knappe Stunde später: endlich ist die Wartezeit vorbei. Nochmal den Stern ins Zentrum des Bildes auf dem Laptopbildschirm manövriert und kurz darauf legt die Automatik der Software mit der Aufnahme los. Auch hier klappt alles und das Verschwinden und Wiederauftauchen des Sterns ist am Bildschirm gut zu sehen (siehe auch Video).
Am nächsten Tag: Auswertung und Übermittlung der Daten an das SODIS Erfassungssystem der IOTA / European Section (IOTA = International Occultation Timing Association = internationale Vereinigung von Bedeckungsbeobachtern, in der Regel Amateure, aber auch einige wenige professionelle Astronomen und Institute).
- erste Überraschung: Die Bedeckung hat an meinem Standort 0,6 Sekunden gedauert, also etwas länger als vorhergesagt. In Neutraubling 0,52 Sekunden, was nicht zu einer Beobachtung an der Schattengrenze passt.
- zweite Überraschung: nach der Kontrolle der SODIS-Reviewer (erfahrene Auswerter, die die eingegangenen Beobachtungen auf Plausibilität kontrollieren) kam die Nachricht, dass eventuell eine Doppelsternentdeckung vorliegt. Soll heißen: eine Komponente des visuellen Doppelsterns ist selbst nochmals ein Doppelstern. Zur Abstimmung werde die Nachricht vorzeitig an die internationale Sammelstelle in Australien weitergeleitet.
Die Neutraublinger Lichtkurve zeigt bei einer Belichtungszeit von 40 Millisekunden pro Bild eine kleine Stufe zu Beginn der Bedeckung und dann einen Abfall der Lichtkurve auf einen Level, der aber deutlich über dem des erwarteten Lichtabfalls
von 7 mag liegt.

Sternbedeckung Lemeshev 02
Bild 3 Neutraublinger Lichtkurve mit (Zeit-)Auswertung (Software Pyote)
mit freundlicher Genehmigung des Autors Björn Kattentidt und des Reviewers Gregor Krannich, SODIS Reviewer Team

Die Raigeringer Lichtkurve, aufgenommen mit einer Belichtungszeit von 100 Millisekunden, zeigt zunächst einen deutlichen Abfall und gegen Ende der Bedeckung eine kleine Stufe, bevor die Rückkehr zur ursprünglichen Helligkeit erfolgt.


Sternbedeckung Lemeshev 03
Bild 4 Raigeringer Lichtkurve mit (Zeit-)Auswertung (Software Occult)

Autor Joachim Siegert, mit Unterstützung und freundlicher Genehmigung von Christian Weber, SODIS Reviewer Team
Eine mögliche Erklärung für die Neutraublinger Bedeckungsdauer könnte eine nicht runde bzw. kugelförmige Form des Asteroiden sein. Hier laufen die Auswertungen noch. An dieser Stelle sei schon Gregor Krannich, SODIS Reviewer Team, für die noch nicht abgeschlossene Auswertung, sowie seine Zusagen dass die Daten veröffentlicht werden dürfen, gedankt. Sobald diese vorliegen, reiche ich sie über obigen Verteiler nach.
Nun weiter zu den bisherigen Auswertungen:
Das zunächst etwas verwirrende Ergebnis was die Lage der Stufen in den Lichtkurve betrifft, wurde durch den internationalen Koordinator Dave Herald (Australien) wie folgt interpretiert (siehe auch Helligkeitsverlauf im folgenden Bild).

Sternbedeckung Lemeshev 04Sternbedeckung Lemeshev 05
Bild 5 Gegenüberstellung der Messungen im selben Maßstab (mit freundlicher Genehmigung des Autors: Dave Herald)

Der internationale Koordinator teilt die Meinung der hiesigen Reviewer, dass ein bisher nicht bekannter Doppelstern bedeckt wurde. Jedoch zeigen die Lichtkurven nicht „das selbe Ereignis“. Der Helligkeitsabfall der Raigeringer Lichtkurve ist deutlich größer, folglich wurden die Komponenten A + B bedeckt. Gegen Ende der Bedeckung nimmt die Helligkeit zu, bleibt aber auf einer bestimmten Stufe „hängen“. Interpretation: Komponente B (lichtschwächere Komponente) taucht wieder hinter dem Asteroiden auf, Komponente A ist nach wie vor bedeckt. Erst als Komponente A wieder vom Asteroiden freigegeben wird, steigt die Helligkeit auf das alte Maß (unbedeckte Helligkeit) an.
Anders bei der Neutraublinger Lichtkurve. Hier ist das Abfallen der Lichtkurve bei weitem nicht so drastisch wie bei der Raigeringer Beobachtung und liegt auf dem Niveau der Helligkeit der Stufe am Ende der Raigeringer Bedeckungslichtkurve. Von dort steigt die Neutraublinger Kurve direkt auf das unbedeckte Niveau an.
Interpretation: In Neutraubling wurde „nur“ die Bedeckung der Komponente A beobachtet. Komponente B wurde dort nicht vom Asteroiden bedeckt.
Die Stufe zu Beginn der Bedeckung liegt so nahe an der Lichtkurve ohne Bedeckung, dass sie noch mit Rauschen erklärt werden kann.
Die genaueren Analysen zum Doppelstern zeigen, dass die Doppelsternkomponenten einen Abstand von 0,0044 +- 0,0001 Bogensekunden (4,4 +- 0,1 Millibogensekunden) haben und der Positionswinkel 234,4 +- 0,6 Grad beträgt. Die Komponenten haben Helligkeiten von 11,7 mag bzw. 12,7 mag.
Ein schönes Ergebnis! Nach Abschluss der genauen Auswertung ist die nächste Aufgabe dann eine Veröffentlichung im Journal for Occultation Astronomy zu schreiben. [(Achtung: man darf ja auch mal träumen) Die Krönung wäre dann die Aufnahme der Entdeckung in einen Katalog wie dem Washington Double Star Catalog. Wenn überhaupt, ist das aber dann noch ein weiter Weg ].

Die Ergebnisse zeigen, wie wichtig es ist, dass mehrere Beobachter ein Bedeckungsereignis beobachten. Nur so kann sichergestellt werden, dass genauere und vor allem bestätigende/belastbare Daten zusammen kommen. Die Community der Bedeckungsbeobachter ist jedoch sehr klein (weltweit ca. 500 bis 600 Amateurastronomen) und die Gebiete in denen die Bedeckungen zu sehen sind, sind meist sehr schmale Streifen auf der Landkarte (siehe Bild 2). Wegen der kleinen Community sind diese Gebiete mit festen Beobachtungsstationen selten abzudecken. Deshalb ist eine möglichst ausführliche Beobachtung nur möglich, wenn viele mobile Einheiten im Einsatz sind, um die gesamte Schattenbreite im Blickfeld zu haben. Professionelle Astronomen machen das nur, wenn ein wichtiges Forschungsergebnis erwartet wird. Amateure mit ihren kleinen Instrumenten sind da weitaus flexibler. So sei der Hinweis auf einen kleinen Teilbereich des Hobbys erlaubt, in dem man als Amateur noch wirklich neue Dinge entdecken kann. Wenn sich jemand beteiligen/einarbeiten will, bin ich gerne bereit zu helfen.
Der Vollständigkeit halber noch zwei weitere Beispiele wie erfolgreich Bedeckungsbeobachtungen für die Wissenschaft und auch die Raumfahrt sein können:
Durch die Beobachtung von Bedeckungen ist schon so mancher Mond eines Asteroiden entdeckt worden. Erstmals erfolgte 2021 die offizielle Anerkennung des Nachweises eines Asteroidenmondes durch eine Bedeckungsbeobachtung durch die Internationale Astronomische Union (IAU). Die Veröffentlichung erfolgt dann jeweils über die IAU Circulars, mit der die Fachwelt z.B. auch über neue Supernovae und Kometen informiert wird. Je ein weiterer Mond folgte 2022 und 2023. In 2024 waren es 9 und in 2025 bisher schon 2 Bestätigungen, zusätzlich werden 3 Beobachtungen derzeit in diese Richtung ausgewertet.

Und schließlich, wer über ein Beispiel nachlesen will, welche interessanten und praktisch (für die Raumfahrt) relevanten, Folgerungen vor kurzem professionelle Wissenschaftler aus Bedeckungsbeobachtungen (in der überwiegenden Anzahl von Amateuren gemacht) durch den Mond gezogen haben, der sei auf die folgenden Artikel hingewiesen:
Astronews: allgemeinverständlich, kurz (deutsch):
Was Sternbedeckungen über Staub auf dem Mond verraten
https://www.astronews.com/news/artikel/ 2025/05/2505-003.shtml
Geophysical Research Letters: spezieller, ausführlich (englisch):
Detection of Low-Altitude Cislunar Dust With the Lunar Occultation Archive
https://agupubs.onlinelibrary.wiley.com/ doi/10.1029/2024GL111606

Am Rande noch die Anmerkung, dass es bei der Bedeckung von Sternen durch den Mond statistisch relevante Abweichungen vom berechneten und dann tatsächlich beobachteten Bedeckungszeitpunkt gibt. Der Grund für diese Abweichungen ist bisher nicht bekannt.

Clear skies!
Joachim

Anbei noch ein kleines Video dazu:
Link zum Video: https://youtu.be/G3sROFHVb3Y





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